Merkurtransit 2016
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EIN NACHMITTAG MIT MERKUR

Erlebnisbericht mit Fotos

Der Merkurtransit vom 09.05.2016 war zumindest in Mitteleuropa das bedeutendste astronomische Ereignis des Jahres 2016. Dementsprechend bildete er auch im gemeinsamen Jahresprogramm des Argelander Instituts für Astronomie (AIfA) der Universität Bonn und der Volkssternwarte Bonn e.V. einen Schwerpunkt. Neben einer öffentlichen Beobachtung wurden zwei Vorträge zum Thema angeboten. Als Mitarbeiter im Koordinationsteam des Jahresprogramms war ich in die Planung und Durchführung der Veranstaltungen involviert.
Montag, 25.04.2016
Der erste der beiden oben erwähnten Vorträge findet im Alten Refraktorium, dem Vereinssitz der Volkssternwarte Bonn, statt. Eigentlich war dafür ein externer Referent vorgesehen. Da die angefragten Kandidaten jedoch zum vorgegebenen Termin verhindert waren, habe ich mich überzeugen lassen, diesen Part zu übernehmen. Da der Merkurdurchgang zu diesem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit noch kein Thema ist (was ich an den täglichen Besucherzahlen auf Merkurtransit.de gut ablesen kann) erwarte ich zu meinem Vortrag etwa 20 Besucher. Da liege ich ziemlich gut, denn es sind 21 recht interessierte Zuhörer anwesend.
Inhaltsangabe des Vortrags am 25.04.2016
Inhaltsangabe des Vortrags am 25.04.2016
Montag, 02.05.2016
Jeden Montag um 18 Uhr ist regulärer Vereinsabend in der Volkssternwarte. Heute werden bei dieser Gelegenheit die Instrumente für die Transitbeobachtung überprüft und bereitgestellt. Wir werden ein Coronado PST, einen Dobson mit Glasfilter und einen Refraktor mit Projektionsschirm einsetzen, also die typischen Verfahren der Sonnenbeobachtung. Auch heute scheint die Sonne - und wir stellen fest, dass sie vor dem Alten Refraktorium wider Erwarten am Abend länger sichtbar ist als auf der benachbarten Poppelsdorfer Allee, wo die öffentliche Beobachtung stattfinden soll. Da die Pressemitteilungen erst morgen rausgehen werden, ändern wir die Planung kurzerhand. Es ist für uns logistisch wesentlich einfacher, die Beobachtung direkt vor dem Vereinsgebäude durchzuführen.
Freitag, 06.05.2016
Heute fand vor erneut etwa 20 aufmerksamen Zuhörer im Universitätmuseum der zweite Bonner Vortrag zum Merkurtransit statt. Im Rahmen einer kleinen Sonderausstellung zur Bonner Astronomiegeschichte referierte Dr. Michael Geffert vom Argelander Institut für Astronomie.
Dr. Geffert beim Vortrag am 06.05.2016
Dr. Geffert beim Vortrag am 06.05.2016. Weitere Fotos vom Vortrag und Impressioen der Ausstellung finden sich in einem Facebook-Album.
Samstag, 07.05.2016
Tagelang sahen die Wetterprognosen für Montag, 09.05.2016, für den Bonner Raum ganz hervorragend aus. doch nun zeigen aktuelle Modelle, dass es sich am Nachmittag zuziehen könnte. Dessen ungeachtet habe ich heute die Filter für mein Fernglas, die Kamera und den Mini-Dobson der Volkssternwarte Bonn erfolgreich an der Sonne getestet.
Sonntag, 08.05.2016
Für die öffentliche Beobachtung morgen haben inzwischen 8 Aktivisten der Volkssternwarte Bonn und des Köln-Bonner Astrotreffs (KBA) ihre Teilnahme zugesagt. Es werden 2 Coronados und 6 Weißlicht-Teleskope mit Filter oder Projektionsschirm am Start sein.
Die Bewölkungsprognosen sind zwar etwas uneinheitlich, deuten aber insgesamt auf unter Umständen schwierige Beobachtungsverhältnisse hin:
- Kachelmann: Komplett bewölkt ab 12 Uhr, eventuell kurze Wolkenlücken gegen 16 und 18 Uhr
- SKIRON: Bewölkungsgrenze liegt während des gesamten Transits etwa bei Bonn
- Meteoblue: Zunächst nur hohe, nicht geschlossene Bewölkung, zwischen 15 und 16 Uhr zieht es zu.
Montag, 09.05.2016, 12:30 Uhr
Steffi und ich treffen etwas später als geplant an der Volkssternwarte ein. Einige Vereinsmitglieder sind bereits anwesend. Zügig beginnen wir mit dem Aufbau unserer weiter oben erwähnten 3 Instrumente. Bis auf ein paar Zirren sieht der Himmel einwandfrei aus, sodass wir sicher sein können, die interessante Ingress-Phase des Transits beobachten zu können. Nach und nach kommen weitere Vereinsmitglieder und KBA-Aktivisten sowie erste Besucher hinzu.
Montag, 09.05.2016, 13:00 Uhr
Wenige Minuten vor dem ersten Kontakt ist vor der historischen Kulisse der Bonner Argelander-Sternwarte alles zur Beobachtung des Merkurtransits vorbereitet. Insgesamt sind 9 Teleskope auf die Sonne gerichtet, 2 Coronados, 1 Fernrohr mit Projektionsfläche und 6 Weißlicht-Teleskope mit Kontinuum-Filtern. Dummerweise haben wir den Mini-Dobson mit dem mühsam gebastelten Filter beim hastigen Aufbruch zu Hause stehen lassen.
Steffi hat im Untergeschoss des Alten Refraktoriums eine Decke gefunden und breitet diese auf der Wiese neben den Teleskopen aus. Derweil gehe ich im Geschäftszimmer im Obergeschoss mit meinem Notebook online und setze auf Facebook das erste Posting meines Liveberichtes ab.
Geräte und Besucher vor der Volkssternwarte Bonn
Geräte und Besucher vor der Volkssternwarte Bonn.
Montag, 09.05.2016, 13:10 Uhr
Jetzt wird es spannend. Etwa 1 Minute vor dem 1. Kontakt bemerke ich Merkur im H-Alpha-Bild des Coronados bereits vor der Sonne und - wie ich zu erkennen glaube - nahe einer Protuberanz. In diesem Wellenlängen-Bereich (656 nm) ist neben den Protuberanzen auch die Chromosphäre sichtbar. Dadurch erscheint die Sonne geringfügig größer als im Weißlicht, welches lediglich die Photosphäre abbildet, und Merkur ist etwas früher sichtbar. Wenig später bemerken ihn auch die um das Projektionsteleskop versammelten Zuschauer. Ich werfe einen Blick durch das mit einem Filter versehene Dobson - auch dort zeigt sich Merkur jetzt. Von unseren 3 Teleskopen bietet das Dobson mit Abstand das eindrucksvollste Bild.

Beginn des Merkurtransits (zwischen 1. und 2. Kontakt), mit dem Handy abgefilmt von der Projektionsfläche.
Montag, 09.05.2016, 13:40 Uhr
Der Ingress war hier in Bonn insgesamt problemlos zu verfolgen. Von einem Schwarzen Tropfen hat niemand etwas bemerkt. Am meisten erstaunt die Besucher, wie klein Merkur im Vergleich zur Sonnenscheibe ist. Derweil richte ich unsere 3 Geräte immer wieder manuell neu auf die Sonne aus - sie haben alle keine automatische Nachführung.
Merkur in Weißlicht-Projektion, 13:40 MESZ.
Montag, 09.05.2016, 14:10 Uhr
Nach der Ingress-Phase wird es ruhiger; nur wenige Besucher sind jetzt anwesend. Ich nutze die Zeit und drehe eine Runde an allen 9 Teleskopen vorbei. Die nachstehenden drei Fotos zeigen 5 davon. Das Gerät auf dem 4. Bild ist eine Eigenbau-Montierung, welche für eine Kamera genutzt wurde.
Geräte (1) Geräte (2) Geräte (2) Geräte (2)
Portraits einiger der eingesetzten Geräte.
Montag, 09.05.2016, 14:30 Uhr
Inzwischen ziehen Cirrostratus-Wolken durch, welche die Beobachtung des Transits aber nicht wirklich stören. An den Eiswolken zeigt sich ein Segment des 22°-Halos. Nicht unerwartet halten es einige der Anwesenden für einen Regenbogen. Ich erkläre, dass es sich bei einem Halo um Lichtbrechung an Eiskristallen handelt. Dann kommt die Frage, wie es an einem so heißen Tag (wir haben etwa 25°C) Eiswolken geben könne. Ein berechtigter Einwand - aber diese Wolken befinden sich in mindestens 10 km Höhe.
Halo-Segment, 14:28 MESZ
Halo-Segment, 14:28 MESZ.
Montag, 09.05.2016, 14:45 Uhr
Mit meinem 10*40 Feldstecher (und natürlich Spezialfolie davor) kann ich den Merkur nicht nur sehen, sondern sogar als kleines Scheibchen wahrnehmen. Mit der Superzoom-Kamera habe ich hingegen Schwierigkeiten, denn durch den straff sitzenden Filter bekomme ich die Sonnenscheibe nicht scharf eingestellt.
Steffi kommt auf witzige Fotoideen mit ihrem Smartphone, welche nachstehend zu sehen sind.
Psychedelischer Merkur Sonnenprojektion auf unsere Vortragsankündigung
Montag, 09.05.2016, 15:10 Uhr
Der Halo um die Sonne ist jetzt vollständig über der Alten Sternwarte zu sehen. Es gibt aber keine Stelle, von der aus er ganz ohne Bäume oder Gebäude davor zu sehen ist - der Durchmesser beträgt immerhin 44 Bogengrade.
Vollständiger 22°-Halo, 15:10 MESZ
Vollständiger 22°-Halo, 15:10 MESZ.
Montag, 09.05.2016, 16:00 Uhr
Transitbeobachtungen sind auf Grund der langen Dauer der Ereignisse eine sehr gemütliche Angelegenheit. Steffi und ich strecken uns auf der Decke aus, futtern unsere mitgebrachten Brötchen und trinken frisch in der Sternwarte aufgebrühten Kaffee. Bei nach wie vor trotz Zirrostratus guten Beobachtungsbedingungen treffen jetzt mehr und mehr Besucher ein. Einige haben auf der Arbeit etwas früher Schluss gemacht, um an unserer Beobachtung teilnehmen zu können. Sehr schön kann man jetzt sehen, wie dunkel und scharf begrenzt Merkur im Vergleich zu dem großen Sonnenfleck (AR 12542) erscheint, auch wenn das in dem von der Projektionsfläche abfotografierten Bild nicht so gut rüber kommt. Ich starte noch einen Versuch mit der Superzoom-Kamera. Nach einer Idee von Nico Schmidt hänge ich diesmal einfach den viel zu großen Filter, den wir für den Mini-Dobson gebastelt hatten, vor das Objektiv. Außerdem nutze ich den manuellen Fokus. Mehr als das unten gezeigte unscharfe Foto kommt dabei aber auch nicht rum.
Zwischendurch demonstrieren wir am Okular des Projektionsteleskops, wie gefährlich ein Blick auf die Sonne ohne geeignete Schutzmaßnahmen ist.
Gut gelaunte Transit-Beobachter
Gut gelaunte Transit-Beobachter.
Sonnenfleck und Merkur auf der Projektionsfläche
Sonnenfleck und Merkur auf der Projektionsfläche (16:20 MESZ).
Sonnenfleck und Merkur mit der Superzoom-Kamera aufgenommen
Sonnenfleck und Merkur mit der Superzoom-Kamera aufgenommen (16:28 MESZ).
Wie heiß es hinter dem Okular eines Teleskops wird, welches auf die Sonne gerichtet ist, zeigt dieses kurze Video.
Montag, 09.05.2016, 16:45 Uhr
Binnen weniger Minuten hat der Himmel sich komplett mit mittelhoher Bewölkung zugezogen. Die Sonne lugt nur noch gelegentlich schwach hervor. Wenn man den aktuellen Wolkenvorhersagen vertrauen kann, sollte es gegen 18 Uhr aber noch einmal etwas aufklaren.
Warten auf Wolkenlücken
Warten auf Wolkenlücken (1).
Montag, 09.05.2016, 17:20 Uhr
Die Sonne scheint zwar schwach durch die Wolken, aber eben so schwach, dass das Licht nicht durch die Filter der Teleskope gelangt. Auch mit Projektion geht gerade nichts. Da bleibt nur geduldiges Warten - die Laune ist immer noch gut, denn wir haben den Transit ja einige Stunden verfolgen können.
Warten auf Wolkenlücken
Warten auf Wolkenlücken (2).
Montag, 09.05.2016, 17:40 Uhr
Zwischenzeitlich ist die Sonne wieder stärker hervorgekommen, und wir können Merkur gut beobachten, so in der nachstehend zu sehenden improvisierten Projektion.
Die Sonne ist wieder da
Die Sonne ist wieder da.
Montag, 09.05.2016, 18:00 Uhr
Wir haben die in der Presse angekündigte Beobachtungszeit inzwischen um eine Stunde überschritten. Einige unentwegte harren aber noch aus. Ich schaue mir noch das Teleskop von Andreas in Ruhe an. Vorne ist der normale Weißlicht-Filter angebracht, welcher das sichtbare Licht stark dämpft und die gefährliche Spektralbereiche (Infrarot und Ultraviolett) komplett blockiert. Vor dem Okular sitzt ein Schmalbandfilter, welcher nur grünes Licht hindurchlässt. Theoretisch sollte in diesem Wellenlängenbereich die Granulation auf der Sonne besonders gut sichtbar sein; praktisch klappt dies aber zumindest heute nicht so überzeugend. Merkur wird aber sehr deutlich als schwarzes Scheibchen dargestellt.
Unentwegte Beobachter
Unentwegte Beobachter.
Montag, 09.05.2016, 18:40 Uhr
Unsere öffentliche Beobachtung ist beendet, die Geräte sind weggeräumt. Die Sonne kommt nur noch minutenweise hinter den Wolken hervor und wird ohnehin bald hinter der Sternwarte verschwinden. Ein paar Helfer plaudern noch auf der Wiese neben unserem improvisierten Transit-Camping auf der Decke. Insgesamt, so schätzen wir, hatten wir heute 65 Besucher, von denen einige sehr lange blieben und andere mehrmals im Laufe unseres Nachmittags mit Merkur vorbei kamen.
Die letzten Beobachter
Nach der Beobachtung.
Montag, 09.05.2016, 19:00 Uhr
Angesichts der Wolkenprognosen verwerfen wir die Idee, zur Beobachtung der Egress-Phase an den westlichen Stadtrand zu fahren. Stattdessen gehen Steffi, Nico und ich zur nahegelegenen Kneipe Zartbitter, wo wir bei belgischem Bier länger sitzen als der Transit noch andauert.